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Kooperation auf dem Prüfstand: Das OLG Celle zur rechtlichen und kartellrechtlichen Bewertung eines Kooperationsvertrags im Maschinenbau

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat sich in einem Beschluss vom 14.11.2024 (Az. 13 U 13/24) mit der rechtlichen Einordnung und kartellrechtlichen Zulässigkeit eines Kooperationsvertrags befasst, der die Entwicklung und Herstellung zweier technischer Anlagen – einer Bepuderungsmaschine und einer Schneideanlage – zum Gegenstand hatte. Zentrale Punkte der Entscheidung waren dabei die Auslegung des Vertrags, die Einordnung als Rahmenlieferverhältnis oder Absatzmittlungsverhältnis sowie die kartellrechtliche Beurteilung wechselseitiger Ausschließlichkeitsbindungen und deren Kündigung.

Sachverhalt

Zwischen zwei Maschinenbauunternehmen – der Klägerin und der Beklagten – bestand eine längerfristige Zusammenarbeit zur Entwicklung und Fertigung spezialisierter Maschinen. Diese Kooperation war geprägt von gegenseitigen Exklusivitätsklauseln: Beide Parteien verpflichteten sich, bestimmte Maschinen nur über den jeweiligen Partner zu beziehen oder zu vertreiben. Nach Unstimmigkeiten kam es zur Kündigung durch eine Partei, was Anlass für ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der Rechtslage gab.

Rechtliche Analyse

Vertragliche Qualifikation

Das OLG Celle beurteilte die Kooperation als auf Dauer angelegten Kooperationsvertrag, der Elemente eines Rahmenliefervertrags, aber auch eines sogenannten Absatzmittlungsverhältnisses aufwies. Diese hybride Struktur ist im Maschinenbau nicht unüblich und führt häufig zu rechtlicher Unsicherheit. Das Gericht stellte insbesondere darauf ab, dass beide Vertragsparteien eigene wirtschaftliche Interessen mit einer gewissen organisatorischen Selbstständigkeit verfolgten, dabei aber in bestimmten Bereichen wechselseitig gebunden waren. Die Vertragsstruktur überschritt damit das klassische Lieferverhältnis und tendierte in Richtung einer arbeitsteiligen Partnerschaft.

Ausschließlichkeitsbindungen

Besonders kritisch prüfte der Senat die kartellrechtliche Zulässigkeit der gegenseitigen Ausschließlichkeitsbindungen. Hierbei handelt es sich um sogenannte vertikale Beschränkungen, die unter dem Aspekt des Art. 101 AEUV (früher Art. 81 EG) grundsätzlich verboten sind, es sei denn, sie unterfallen einer Freistellung nach der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (Vertikal-GVO, VO (EU) 330/2010).

Das OLG ließ erkennen, dass die konkrete vertragliche Ausgestaltung eine erhebliche wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalte, da durch die wechselseitigen Bindungen faktisch eine Marktabschottung erfolgen könne. Ob eine Freistellung nach der Vertikal-GVO greift, hängt nach Auffassung des Gerichts wesentlich von der Marktstellung der beteiligten Unternehmen ab, was im konkreten Fall jedoch nicht abschließend geklärt wurde, da die Berufung auf Hinweisbeschluss zurückgenommen wurde.

Kündigung und kartellrechtliche Zulässigkeit

Ein weiterer zentraler Punkt war die Wirksamkeit der Kündigung des Kooperationsvertrags. Zwar sind Dauerschuldverhältnisse grundsätzlich ordentlich kündbar, allerdings können kartellrechtliche Aspekte einer Kündigung entgegenstehen – insbesondere dann, wenn die Kündigung selbst als wettbewerbsbeschränkend einzustufen ist (z. B. zur Marktverdrängung). Das OLG behandelte diese Frage differenziert, ließ jedoch offen, ob die Kündigung als missbräuchlich im Sinne des § 19 GWB (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) oder des Art. 102 AEUV einzustufen wäre.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Kooperationsverträge im technischen Bereich müssen nicht nur klar strukturiert und rechtlich präzise gefasst sein – sie dürfen auch kartellrechtlich keine wettbewerbswidrigen Strukturen schaffen. Die Entscheidung des OLG Celle zeigt exemplarisch, wie wichtig eine ganzheitliche juristische Betrachtung solcher Geschäftsmodelle ist.

Schlussfolgerung

Die Entscheidung des OLG Celle unterstreicht die juristische Komplexität langfristiger Kooperationsverträge im industriellen Sektor. Sie zeigt eindrücklich, dass solche Vereinbarungen nicht nur zivilrechtlich, sondern stets auch kartellrechtlich überprüft werden müssen. Besonders wechselseitige Ausschließlichkeitsbindungen sind heikel und bedürfen einer sorgfältigen Prüfung auf ihre Vereinbarkeit mit europäischem und deutschem Wettbewerbsrecht. Für Unternehmen bedeutet dies: Eine klar strukturierte Vertragsgestaltung mit kartellrechtlicher Expertise ist unerlässlich, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Rechtsanwalt Jens Ferner ist erfahrener und hochspezialisierter Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht mit über einem Jahrzehnt Berufspraxis und widmet sich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - spezialisiert auf Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist Lehrbeauftragter für IT-Compliance (FH Aachen), zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Er beschäftigt sich intensiv im technologischen Bereich mit Fragen der Softwareentwicklung, KI und Robotik - nicht nur als Jurist, sondern eben auch selbst als Entwickler. In diesem Blog werden Inhalte vor allem rund um Robotik bzw. Roboterrecht und ergänzend zum Thema K geteiltI. Es werden Unternehmen im gesamten IT-Recht beraten und vertreten, dies vor allem strategisch und nicht juristisch nach "Schema F".
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT-Recht & Strafrecht)
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