Das Betreiben krimineller Plattformen im Internet, auf denen illegale Güter und Dienstleistungen vermarktet werden, ist inzwischen mit dem neu geschaffenen §127 StGB eine Straftat. Der Bundesgerichtshof konnte in der wohl nun ersten Entscheidung zum schlichten Betrieb einer solchen Plattform (also ohne eigene aktive Händlertätigkeit) klarstellen, dass die in §127 StGB vorgesehene Strafbarkeit jedenfalls bei stattfindenden Drogengeschäften unbedeutend sein wird.
Und dass der Betrieb solcher Plattformen ruinös ist.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln bei Betrieb von Darknet-Plattform
Für viele mag es überraschend sein, aber: Wer eine kriminelle Handelsplattform betreibt, auf der autonom Käufer und Verkäufer agieren, dem wird ein Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorzuwerfen sein, auch wenn man selber keine Drogen einkauft oder verkauft (sondern nur die Plattform für die Geschäfte bietet).
Hintergrund ist das weite Verständnis des Handeltreibens, bei dem alleine auf den Absatz der Betäubungsmittel abgestellt wird. Dies wendet der BGH nun stringent an und kann nun erstmals die – in der Literatur schon vertretene – Meinung aufgreifen, mit der ein Plattformbetrieb für ein Handeltreiben ausreicht:
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (…). Dabei muss das vom Täter vorgestellte Umsatzgeschäft kein eigenes sein. Auch eine eigennützige, auf die Förderung fremder Umsatzgeschäfte gerichtete Tätigkeit kann (täterschaftliches) Handeltreiben sein (…). Handeltreiben durch eigennützige Förderung fremder Verkäufe kann insbesondere auch bei Vermittlung eines Absatzgeschäftes oder bei Nennung potentieller Kunden erfüllt sein (…).
In gleicher Weise stellt das Bereitstellen einer ausschließlich dem Zweck des Handels mit Betäubungsmitteln dienenden virtuellen Verkaufs- und Kommunikationsplattform sowie die zur Aufrechterhaltung der technischen und inhaltlichen Forenstruktur geleisteten Beiträge regelmäßig ein (täterschaftliches) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln dar, sofern die Betreiber nicht allein aus uneigennützigen Motiven heraus handeln (vgl. Patzak in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 291 mwN).
BGH, 2 StR 12/22
Kriminelle Handelsplattform: Täterschaft oder Beihilfe?
Nun muss man aber fragen, ob schlichte Beihilfe oder eine Täterschaft zum Handeltreiben vorliegt – was im Strafrecht eine Wertungsfrage ist.
Hier sieht der BGH keine Besonderheiten bei solchen kriminellen Handelsplätzen im Internet und betont schlank, dass die allgemeinen Grundsätze auch für das Errichten und Betreiben einer internetgestützten Handelsplattform, die dazu dient, den Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern herzustellen und Möglichkeiten zur Verkaufsabwicklung zur Verfügung stellt, gelten:
Mit Recht ist das Landgericht von einem hohen Eigeninteresse der Angeklagten am Taterfolg ausgegangen, welches für eine Täterschaft spricht. Die getätigten Investitionen (vgl. Senat, Urteil vom 21. August 1991 – 2 StR 275/91) und die erfolgsabhängige prozentuale Beteiligung der Angeklagten am Verkaufserlös eines jeden Geschäfts zeigen nämlich, dass die erstrebten Einnahmen vom Gelingen der Bemühungen um den Betäubungsmittelabsatz abhängig waren (vgl. MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, BtMG, 4. Aufl., § 29 Rn. 366). Die auf den Absatz möglichst vieler Betäubungsmittel gerichtete Absicht der Angeklagten ist rechtsfehlerfrei festgestellt, ebenso ihr fortwährendes – aktives – Bemühen um die Kundenzufriedenheit und die Lösung auftretender Probleme.
Dass die Angeklagten nicht nur durch die Bereitstellung bzw. Aufrechterhaltung der Anonymisierungs-, Verschleierungs- und Verschlüsselungsmöglichkeiten besondere Erwerbs- und Veräußerungsbedingungen, mithin eine „tatanreizende Situation“ (vgl. Bachmann/Arslan, NZWiSt, 2019, 241, 243; auch Greco, ZIS, 2019, 435, 443; Zöller, KriPoZ, 2021, 79, 84 f.) schufen, sondern den Handel auf der Plattform wie festgestellt überwachten, die Angebote zum Erwerb von Betäubungsmittel teilweise zunächst selbst freischalteten und Nutzer „verbannten“, die sich nicht an die Regeln hielten, belegt ebenfalls einen erheblichen Einfluss der Angeklagten auf das Tatgeschehen und ihren Willen zur Tatherrschaft. Diese weitergehende Einbindung der Angeklagten in das Umsatzgeschäft spricht deutlich für täterschaftliches Handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar 2021 – 3 StR 184/20, NStZ 2022, 302).
Dass die Angeklagten weder an den verkauften Betäubungsmitteln physische Gewalt hatten, noch Art, Menge und Preis der gehandelten Drogen noch deren Übergabeort vorgaben, zwingt demgegenüber nicht zur Annahme, die Angeklagten seien lediglich Gehilfen. Die Angeklagten hatten auch insoweit tatsächliche Herrschaft über das Tatgeschehen, als sie durch die bei der Bezahlung einzuhaltenden Treuhandverfahren in der Lage waren, bei jedem Geschäft zu entscheiden, ob dieses durch die Weiterleitung des Kaufpreises erfolgreich zum Abschluss kommt.
BGH, 2 StR 12/22
Das bedeutet: Es liegt alleine im Betrieb der Plattform, wenn hier BTM gehandelt werden, schon ein eigenes Handeltreiben vor. Dies wird regelmäßig gewerbsmäßig sein, sodass man mit §30 BtMG bei 2 Jahren Mindestfreiheitsstrafe liegt.
Bande beim Betrieb einer Handelsplattform
Hier hatten sich drei Personen zusammengeschlossen, um die Plattform zu betreiben – sodass von einer Bande auszugehen war. Knifflig ist es, wenn man die Besonderheiten so einer Plattform sauber in das Juristische überträgt: So setzt der Begriff der Bande bekanntlich den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich aufgrund einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Abrede verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige Taten zu begehen.
Für eine Bandenabrede genügt es also nicht, wenn sich die Täter nur zu einer einzigen Tat verbinden und erst in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derartige Taten begehen. Genau dies mag man bei einer solchen Plattform zwar annehmen, doch der BGH löst es kurz und schmerzlos:
Der Vorsatz der Angeklagten war vielmehr gerichtet auf eine unbestimmte Anzahl von Drogengeschäften, bei denen sie gegebenenfalls aktiv eingreifen könnten und würden (etwa bei technischen Problemen oder Beschwerden). Der Plan der Angeklagten richtete sich mithin auf mehrere selbstständige, im Einzelnen noch unbestimmte, grundsätzlich in Realkonkurrenz stehende Handlungen.
Dass sich nicht feststellen lässt, welcher Angeklagter bei welchen Taten konkret gehandelt hat, macht die zugrundeliegenden Einzeltaten nicht zu „einer Straftat“, sodass die Abrede, „mehrere Straftaten“ zu begehen, erfüllt ist (…)
BGH, 2 StR 12/22
Wie viele Taten liegen vor?
Wie so oft liegt das eigentliche Verteidigungspotenzial in der konkreten Prüfung der Zahl der Fälle – liegt nur ein Fall vor oder ist jedes Verkaufsgeschäft einzeln zu beurteilen? Auch hier greift der BGH die etablierte Rechtsprechung auf und stellt klar:
Haben bei einer durch mehrere Personen begangenen Deliktsserie einzelne Angeklagte einen Tatbeitrag zum Aufbau oder zur Aufrechterhaltung einer auf die Begehung von Straftaten ausgerichteten Infrastruktur erbracht, so sind die Einzeltaten der Mittäter zu einem sogenannten uneigentlichen Organisationsdelikt zusammenzufassen, durch welches die Einzelhandlungen rechtlich verbunden und die auf der Grundlage dieser Infrastruktur begangenen Straftaten für die im Hintergrund Tätigen zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammengeführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 184; Beschlüsse vom 19. April 2011 – 3 StR 230/10, NStZ 2011, 577, 578; vom 21. Dezember 1995 – 5 StR 392/95, NStZ 1996, 296 f.; vom 26. August 2003 – 5 StR 145/03, BGHSt 48, 331, 342 f.).
BGH, 2 StR 12/22
Das dicke Ende folgt …
Das Fazit bis hier ist schon schlimm genug: Der Betreiber einer kriminellen Plattform, auf der Drogen zu kaufen sind, kann strafrechtlich behandelt werden, als wäre er der Verkäufer selber – mit entsprechend empfindlichen Mindest- und Gesamtstrafen, hier etwa kamen um die 6 Jahre raus.
Doch es wird noch schlimmer, denn der BGH wendet die Regeln der Vermögensabschöpfung, der „Einziehung“, ebenso rigoros an. Damit soll all das, was man an rechtswidrigem Vermögenszuwachs hatte, abgeschöpft werden. Hierbei stellt der BGH – durchaus überraschend, aber mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung nachvollziehbar – dar, dass bei Escrow-Geschäften das gesamte Volumen beim Wallet-Inhaber einzuziehen ist. Heißt übersetzt: Wenn jemand eine Plattform anbietet und treuhänderisch Gelder abwickelt, auch die Beträge von ihm an die Staatskasse zu zahlen sind, die nicht für ihn bestimmt waren, sondern hinterher auszukehren waren.
Durchaus überraschend war, dass hier auch ein „Smart Contract“ nicht geholfen hat: Wenn Käufer (bei Bitcoin-Abwicklung) den Erhalt bestätigt hatten, wurde automatisch ausgekehrt; das änderte für den BGH nichts an der faktischen Verfügungsgewalt.
Das summiert sich in utopische Höhen, hier wurden etwa 28 Millionen Euro eingezogen; ein Betrag, der ein Leben durchaus vernichten kann – wobei die sichergestellten Vermögenswerte dies wohl überstiegen haben sollen. Im Detail zu den Themen der Einziehung ist mein Beitrag zur Einziehung von Kryptowährungen zu beachten, der diesbezüglich erweitert wurde!
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